In den vergangenen Tagen hat sich westlich der Timorsee zunächst ein tropisches Tief und später ein Zyklon gebildet. Ilsa – so heisst der Tropensturm - wird sich in den nächsten zwei Tagen weiter verstärken und dann an der Nordküste von Western Australia auf Land treffen.
Entstehung und bisheriger Verlauf
Schon Anfang April haben globale Wettermodelle eine mögliche Entwicklung eines Tropensturms zwischen Australien und Indonesien für Mitte Monat angedeutet. Verständlicherweise sind Vorhersagen über einen solch langen Zeithorizont mit grossen Unsicherheiten behaftet. In den vergangenen Tagen hat sich dieser Trend aber manifestiert und schliesslich kam es am Ostermontag zur Bildung eines tropischen Tiefs. Dies ist die Vorstufe eines Tropensturms, welcher in jener Region auch als Zyklon bezeichnet wird. (Nicht zu verwechseln mit einer Zyklone, welche im Fachjargon ein gewöhnliches Tief beschreibt. Weitere Informationen und Unterschiede zwischen tropischen und aussertropischen Tiefs gibt es unter anderem in diesem Blog.)
Sobald ein solches System den Status eines Tropensturms erreicht hat, wird es von den jeweils verantwortlichen Diensten benannt. Der aktuelle Zyklon wurde dabei auf den Namen Ilsa getauft. Ilsa weist derzeit durchschnittliche Windgeschwindigkeiten von 130 bis 150 km/h auf und zählt damit zu einem Zyklon der 2. Kategorie (von 5) auf der Saffir-Simpson-Skala (auf der australischen Skala für Tropenstürme entsprechen diese Winde bereits der Stufe 3 von 5, wobei auch ein paar nicht weiter erläuterte Unterschiede in der generellen Definition bestehen). Aktuell befindet er sich knapp 500 Kilometer nordöstlich von Port Hedland und bewegt sich mit ungefähr zehn Kilometern pro Stunde nach Südwesten fort.
Abb. 1: Weitere Zugbahn von Ilsa mit den zeitlich zu erwarteten Windstärken; Quelle: Joint Typhoon Warning Center
Weiterer Verlauf und Entwicklung
Über die weitere Zugbahn sind sich die Modelle einig. Demnach wird er nach dem derzeitigen Südwestdrift ab Morgen zunächst nach Süden und schliesslich nach Südosten ziehen, wo er vermutlich am Freitag (Ortszeit) zwischen Port Hedland und Broome auf Land treffen wird. Dass sich Ilsa auf diesem Weg über dem Wasser weiter verstärken wird ist sicher, über die Intensität der Verstärkung sind sich die Modelle aber noch nicht einig. Dies ist in erster Linie einer leicht unterschiedlichen Zugbahn geschuldet, je nach dem bleibt dem Sturm so nämlich mehr oder weniger Zeit für eine Intensivierung. Glaubt man den neusten Modelldaten des amerikanischen Globalmodells (GFS), dann dürfte der Zyklon beim Landgang einen Kerndruck von 930 bis 940 hPa aufweisen. Das europäische Modell (ECWMF) modelliert einen minimalen Druck von rund 960 hPa, aber eben auch einen um mehrere Stunden früheren Landgang. Eine noch eiligere aber eher unwahrscheinliche Variante zeigt das deutsche ICON-Modell. Hiernach würde der Zyklon bereits am Donnerstagabend mit einem Zentrumsdruck von etwa 970 hPa auf Land treffen. Je nach Szenario muss an dem betreffenden Küstenabschnitt also mit Durchschnittswinden zwischen 160 und knapp 200 km/h gerechnet werden.
Abb. 2: Windgeschwindigkeiten auf 10 Metern Höhe am frühen Freitagmorgen (Ortszeit) gemäss GFS.; Quelle: weathermodels
Gründe für die rasche Verstärkung
Damit sich ein Tropensturm gut und rasch entwickeln kann, muss einerseits der Energienachschub aus der warmen Meeresoberfläche gegeben sein, ausserdem sollten die Winde in unterschiedlichen Höhenstufen nicht zu stark von einander variieren (Windrichtung und Geschwindigkeit; Windscherung). Idealerweise sollte die oberste Wasserschicht eine Temperatur von mindestens 26-27 Grad aufweisen. Wie nachfolgende Karte eindrücklich zeigt, werden in der Region derzeit Werte von teils über 30 Grad gemessen. Ebenfalls weist die Windscherung in der unmittelbaren Umgebung des Sturmzentrums äusserst geringe Werte auf (untere Karte).
Abb. 3: Oberflächentemperaturen des Wassers (rötliche Töne > 25 Grad, violett-pink > 30 Grad); Quelle: Earth Nullschool (dargestellte Daten von UK Met Office)
Abb. 4: Windscherung in der Troposphäre gemäss ECMWF (je tiefer die Werte, desto besser kann sich der Zyklon entwickeln); Quelle: weathermodels
Gefahren von Ilsa
Nebst den starken Winden muss bei tropischen Systemen jeweils auch mit grossen Niederschlagssummen gerechnet werden. In einem relativ engen Bereich werden in den kommenden Tagen teils mehr als 200 mm Regen erwartet. Dies klingt vielleicht auf den ersten Blick nicht nach viel, ordnet man aber dies der Region entsprechend ein, so entspricht dies in manchen Gegenden mehr als der Hälfte des typischen Jahresniederschlags. Beispielsweise fallen in Port Hedland klimatologisch gesehen rund 315 mm pro Jahr (zum Vergleich; im Schweizer Mittelland liegt der Jahresdurchschnitt bei etwa 1000 mm, schweizweit zwischen 1200 und 1300 mm). In diesem trockenen Klima können solche Starkniederschläge von den Böden meist nicht gut aufgenommen werden, wodurch ein Grossteil des Wassers oberirdisch abfliesst und damit zu Sturzfluten führen kann.
Abb. 5: Erwartete Regensummen in den kommenden 60 Stunden gemäss GFS; Quelle: weathermodels
Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Faktor in der Küstenregion ist der durch den Sturm verursachte hohe Wellengang. Wie auf der nachfolgenden Abbildung zu sehen ist, wird in dem betroffenen Küstenabschnitt mit Wellen von 10 bis 15 Metern zu rechnen sein. Nebst Küstenerosion birgt eine solch raue See auch Herausforderungen für einen der weltweit grössten Exporthafen für Schüttgut in Port Hedland.
Abb. 6: Wellenhöhe kurz vor dem Landgang von Zyklon Ilsa gemäss GFS; Quelle: Tropical Tidbits
Klimatologie von Tropenstürmen im Australischen Becken
Das Australische Becken umfasst Teile des südindischen und südpazifischen Ozeans. Typischerweise ist dabei der Bereich zwischen dem 90. und 160. Längengrad Ost gemeint. Die Tropensturmsaison startet offiziell am 1. November und dauert bis Ende April, wobei sich auch ausserhalb der Saison Stürme bilden können (dann meist südlich von Sumatra). Daten werden seit der Saison 1969/70 detailliert aufgezeichnet. In dieser Zeitspanne bildeten sich im Schnitt jährlich elf Tropenstürme in den Gewässern von Australien, wobei jeweils vier auf Land trafen. Seit der Jahrtausendwende konnte ein etwas abnehmender Trend mit durchschnittlich nur noch neun Tropenstürmen pro Saison festgestellt werden. Ilsa ist der sechste benannte Zyklon in dieser Saison. Im Februar machte bereits Zyklon Freddy Schlagzeilen, welcher unter anderem einen neuen globalen Rekord als energiereichster Tropensturm aufgestellt hatte.
Abb. 7: Zyklon Freddy am 12. Februar über dem westindischen Ozean; Quelle: Wikipedia