Während bei uns die Weihnachten mild ausfallen werden, stehen dem nordamerikanischem Kontinent die kältesten Feiertage seit mehreren Jahrzehnten bevor. Zum Dessert wird im Nordosten und rund um die Grossen Seen ein potentiell starker Blizzard zu Heiligabend serviert.
Wintersturm Elliott schwächt sich ab
Die tragische Nachricht vorweg: 28 Menschen sind bis Sonntagnachmittag in Zusammenhang mit dem Wintersturm ums Leben gekommen. Dann die gute Nachricht: Nun ist das Schlimmste in Sachen Wintersturm Elliott überstanden.
Zeit um diesen Ticker zu diesem ausserordentlichen Ereignis mit ein paar Erläuterungen und einem Ausblick auf die kommenden Stunden und Tage abzuschliessen. Die gesamte Historie zur Kälte in den USA finden Sie weiter unten.
Aus Bombogenese wird Bomben-Zyklon(e)
"Bomben-Zyklon" oder "Bomben-Zyklone" waren in den Medien weit verbreitete Begriffe für das Sturmtief Elliott, welches in den letzten Tagen und zu Beginn des Weihnachtswochenendes in weiten Teilen der USA und Kanada für chaotische Bedingungen gesorgt hatte. Beide Begriffe sind extrem, und zumindest einer davon auch falsch.
Das Wort Zyklon verwenden deutschsprachige Meteorologen nur für tropische Wirbelstürme im Indischen Ozean und Südwestpazifik. Ein Zyklon hat mit einem Wintersturm auf dem nordamerikanischen Kontinent somit nichts zu tun. Hier handelt es sich in deutschsprachigen Medien um einen simplen Übersetzungsfehler (aus engl. cyclone wird Zyklon). "Bomben-Zyklone" wäre wenn schon die korrektere Übersetzung des Begriffs Bombogenese, denn Zyklone bedeutet Tiefdruckgebiet. Die Wortkombination Bombogenese wurde vermutlich im Jahre 1980 zum ersten Mal von den Meteorologen Fred Sanders und John Gyakum verwendet. Es ist ein alternativer Ausdruck für eine rapide Zyklogenese. Hier handelt es sich per Definition um ein Tiefdruckgebiet, in welchem der Luftdruck innerhalb von 24 Stunden um mindestens 24 Hektopascal absinkt. Damit sich ein Tief in derart kurzer Zeit mit dieser Intensität verstärken kann, müssen die Temperaturkontraste sehr gross sein.
Von klirrender Kälte zu mildem Frühlingswetter
Tief Elliott liegt nun im nordöstlichen Teil Kanada's knapp südöstlich der Hudson Bay. Mit einer langsamen Bewegung nordwärts flacht das Tief in den kommenden Stunden weiter ab. Dahinter bilden sich weiter westlich im Grenzbereich zwischen der USA und Kanada und zusätzlich auch über den Nordostpazifik neue Tiefdruckgebiete.
Abb. 1: Das Tief Elliott liegt mit seinem Zentrum südöstlich der Hudson Bay im Nordosten von Kanada.
Diese führen auf der Vorderseite nun in den kommenden Tagen aus Südwesten und Westen deutlich mildere/wärmere Luft in die zuletzt von strengem Frost geprägten Regionen. Die Temperaturen steigen entsprechend markant an. Nachfolgend exemplarisch das eindrückliche Beispiel zur Erwärmung der nächsten Tagen in St. Louis (Missouri). Hier kommen nach starkem Frost an diesem Wochenende bis zum Donnerstag mit knapp 20 Grad und Südwind Frühlingsgefühle auf.
Abb. 2: In der Stadt St. Louis (Bundesstaat Missouri) gibt es nach einem frostigen Weihnachtswochenende einen markanten Temperaturanstieg. Am kommenden Donnerstag erwarten wir bis zu 20 Grad.
Bereits in den letzten Stunden sind die Temperaturen vor allem in Montana, North Dakota und South Dakota um teilweise über 20 Grad Celsius oder 40 Grad Fahrenheit angestiegen. Nach wie vor winterlich kalt ist es hingegen im Osten und insbesondere im Nordosten der USA. Die Karte zeigt die Temperaturänderung zwischen Samstagvormittag und Sonntagvormittag (Achtung Werte sind in Fahrenheit!).
Abb. 3: Temperaturdifferenz der letzten 24 Stunden (Achtung Werte vom US-Wetterdienst in Fahrenheit)
Ein Beispiel: In Rapid City (South Dakota) ist die Temperaturen in den vergangenen 9 Stunden um 26 Grad (von -17 Grad auf +9 Grad) angestiegen!
Abb. 4: In Rapid City sind die Temperaturen in den letzten Stunden markant gestiegen.
Temperaturwerte für die Geschichtsbücher
Arktische Kaltluft aus Kanada hat weite Teile der USA, zumindest alle Regionen östlich der Rocky Mountains, überrollt. Der Start in das Weihnachtswochenende war aufgrund der eisigen Temperaturen, teils stürmischen Winde und gebietsweise auch kräftigen Schneefällen mit Chaos im Strassen- und Luftverkehr verbunden. Weit über 1 Million Menschen musste zumindest zwischenzeitlich ohne Elektrizität auskommen. Mindestens 17 Menschen sind bis jetzt infolge des Wintersturms Elliott ums Leben gekommen!
Die Temperaturen, die am frühen Samstagmorgen gemeldet wurden, sind etwas für die Geschichtsbücher. In der Form kommt das sehr selten vor. Die polare Luft ist bis zum Golf von Mexiko vorgedrungen, auch hier gab es vielerorts Frost. Die nachfolgenden Beispiele zeigen die eindrückliche Kältewelle in Zahlen für ein paar international bekannte Städte der USA.
Abb. 1: Auch ganz im Süden der USA, an der Küste des Golf von Mexiko gab es verbreitet Frost, so auch in New Orleans.
Abb. 2: Ein unüblicher Temperaturverlauf für St. Petersburg/Clearwater in Florida. Heute in der Früh lagen hier die Temperaturen im Bereich des Gefrierpunktes.
Abb. 3: Auch in der Hauptstadt des Bundesstaates Georgia war es mit -13 Grad aussergewöhnlich kalt.
Abb. 4: New York City meldete heute in der Früh -14 Grad.
Abb. 5: In Chicago sind die Temperaturen über Nacht leicht gestiegen. Mit -17 Grad um 07:00 Uhr war es aber immer noch klirrend kalt!
Weitere Messwerte gibt es auf unserem Wetter Portal für die Vereinigten Staaten von Amerika.
Massiver Luftmassenwechsel
Wintersturm Elliott lässt weite Teile der USA in eisiger Kälte erstarren! Die polare Luftmasse hat unterdessen auch die Ostküste erreicht. Der Wechsel der Luftmassen ist wirklich beeindruckend. Innerhalb von wenigen Stunden sind die Temperaturen in vielen Regionen um 20 bis 30 Grad gesunken. Exemplarisch das Beispiel Cincinnati: Hier wurden am Donnerstagabend noch knapp +10 Grad gemessen. Am Freitagmorgen war es rund -20 Grad kalt - gewaltig!
Abb. 1: Die Temperaturen sind in der Nacht auf Freitag in der Stadt Cincinnati um rund 30 Grad zurück gegangen.
Dass in einem Grossteil der USA die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen, zeigt sich beim Anblick der Messwerte von Freitagmittag Ortszeit.
Abb. 2: Die Messwerte von Freitagmittag offenbaren: Weite Teile der USA starten mit eisigen Temperaturen in das Weihnachtswochenende.
In der Nacht auf Samstag wird nun auch noch der bei Sonnen- und Wärmeliebhabern beliebte Bundesstaat Florida von der Kaltluft geflutet. Auch hier wird es am Weihnachtswochenende gebietsweise Frost geben, was selten ist. In Miami gab es heute noch 27 Grad. Morgen sind es dann noch 14 Grad, am Sonntag maximal 12 Grad. Für den Süden Floridas sind das aussergewöhnlich tiefe Temperaturen.
Abb. 3: Auch im Sunshine-State Florida wird es am Wochenende empfindlich kühl.
Mehrere 100'000 Haushalte ohne Strom
Der Luftmassenwechsel wird teilweise begleitet von stürmischen Winden und kräftigen Schneefällen. Die garstigen Witterungsbedingungen führen zu zahlreichen Stromausfällen. Vor allem an der Ostküste müssen derzeit mehrere 100'000 Haushalte ohne Elektrizität auskommen. Keine angenehme Situation, wenn draussen klirrende Kälte herrscht!
Abb. 4: Die Karte von https://poweroutage.us/ zeigt, wie viele Haushalte wegen dem Wintersturm Elliott ohne Elektrizität auskommen mussten - es waren am Freitagmittag mehrere 100'000!
Abb. 5: Satellitenaufnahme des Wintersturms Elliott
Der arktische Kaltfluftausbruch in Nordamerika ist in vollem Gange. Derzeit befindet sich die ausgeprägte Luftmassengrenze knapp westlich der Appalachen bis nach Alabama. Im Verlauf des heutigen Tages werden also auch die bisher von der Kältewelle verschonten Bundesstaaten entlang der Ostküste und Teile von Florida in den Einfluss dieser arktischen Luft gelangen. Die Temperaturentwicklungen entlang der Kaltfront sind sehr eindrücklich. An vielen Orten wurden noch nie so schnelle Temperaturrückgänge innert wenigen Minuten/Stunden verzeichnet. Als Beispiel soll hier die Hauptstadt von Wyoming, Cheyenne, erwähnt werden. Vor dem Durchgang der Kaltfront wurden 6 Grad gemessen, innert der nächsten halben Stunde sackte das Thermometer auf frostige -16 Grad ab! Innerhalb einer Minute um knapp 10 Grad – dies ist US-Rekord. Ähnliche Temperaturstürze gab es auch in weiten Teilen von Nebraska und Colorado. Aber auch die Südstaaten sind davon betroffen, im texanischen Amarillo wurde in 60 Minuten ein Rückgang von knapp 17 Grad registriert. Während die nördlichen Staaten eher mit solchen Extremereignissen umgehen können, haben die Südstaaten erfahrungsgemäss mehr Probleme damit. Veranschaulicht wird dies mittels der Stromausfallkarte vom Freitagmorgen. Derzeit sind in Georgia über 100'000 Haushalte ohne Strom, in Texas sind es rund 70'000. Landesweit summiert sich die Zahl auf über 300'000. In den kommenden Stunden und mit dem Vorrücken der kalten Luft und den damit verbundenen starken Winden wird diese Zahl weiter ansteigen.
Abb. 1: Aktuelle Stromausfälle nach Bundesstaaten (Quelle: poweroutage.us)
Die arktischen Luftmassen in Kombination mit teils starken Winden mit Böen von 60 bis 80 km/h lassen die gefühlte Temperaturen noch weiter absinken. Dies wird auf der nachfolgenden Karte sichtbar. Die tiefsten Windchill-Temperaturen werden mit unter -50 Grad Celsius derzeit zwischen Montana und Norddakota gemessen. Aber auch in einem Grossteil des Mittleren Westens und im Ohio-Valley fühlt es sich derzeit nach -30 Grad Celsius an (beachte Fahrenheitwerte auf der Karte).
Abb. 2: Gefühlte Temperaturen am Freitagmorgen in Grad Fahrenheit (Quelle: weathermodels.com)
Mit wenigen Ausnahmen der Südweststaaten steht ein Grossteil des Landes unter einer der zahlreichen Winterwarnungen. Diese reichen von Windchill-, über Wintersturm- bis hin zu Eissturm- und Blizzardwarnungen und betreffen rund 280 Millionen Menschen.
Abb. 3: Winterwarnungen und Anweisungen des nationalen Wetterdienstes (Quelle: NOAA)
Blizzard
Vor allem rund um die Grossen Seen bringt Sturmtief Elliott, welcher sich innert eines Tages um mehr als 24hPa vertieft hat und damit eine sogenannte Bombogenese durchlaufen hat, einen ausgewachsenen Schneesturm. Auch wenn sich die Neuschneehöhen von 20 bis 40 Zentimeter, lokal auch mehr, in Grenzen halten werden, sorgen die Winde für schlechte Sichtbedingungen (Whiteout). Der Reiseverkehr rund um die Festtage dürfte deutlich erschwert und nur eingeschränkt möglich sein.
Abb. 4: Neuschneesummen bis Samstag (Quelle: The Weather Channel)
Während sich bei uns die kommenden Tage bis und mit Festtage von der milden und im Flachland somit grünen Seite zeigen, sieht die Situation auf der gegenüberliegenden Seite des Atlantiks deutlich anders aus. Die meisten Modelle haben einen möglichen arktischen Kaltluftvorstoss bis weit in den Süden der USA bereits seit einiger Zeit angedeutet, nun stehen wir unmittelbar davor.
Aktuelle Wetterlage in Nordamerika
Derzeit befindet sich ein ausgeprägtes Kältehoch mit einem Kerndruck von deutlich über 1050 hPa über dem westlichen Kanada (siehe linke Darstellung). In den kommenden Tagen wird sich dieses Hoch tendenziell noch etwas verstärken und nach Süden bewegen. Eine Faustregel besagt, dass ein Kerndruck von um die 1060 hPa reicht, damit die kalte Polarluft bis zum Golf von Mexiko vorstossen kann. Verstärkt wird dieser Südtransport (pinker Pfeil) durch ein Tiefdruckgebiet über dem Mittleren Westen (siehe rechte Darstellung).
Abb. 1: Druckverteilung über Nordamerika von Mittwoch (links) und Freitag (rechts). (Quelle: angepasste Darstellung von Pivotal Weather)
Mittels Modellen lässt sich für einen bestimmten zukünftigen Zeitpunkt und Ort eine Rückverfolgung der Luftmassen berechnen. Sogenannte Rückwärtstrajektorien sind nachfolgend für das texanische Dallas dargestellt. Gezeigt wird zum einen der zeitliche Verlauf eines Luftpakets in geographischer (oben), als auch in höhenmässiger (unten, von rechts nach links zu lesen) Verortung. Es wird deutlich, dass der Ursprung der kältesten Luftpakete im arktischen Ozean liegt. Die obersten Luftmassen kommen gar aus Sibirien (mit der grünen Linie dargestellt). In den USA wird ein solcher Kaltluftvorstoss in den Medien daher auch als "Sibirischer Express" bezeichnet.
Abb. 2: Rückwärtstrajektorien am 23. Dezember für Dallas in unterschiedlichen Höhenstufen. (Quelle: angepasste Darstellung gemäss NOAA)
Die Zutaten für einen extremen arktischen Vorstoss sind vorhanden. Schon heute liegen die Temperaturen in den Nordstaaten und zur kanadischen Grenze verbreitet zwischen –15 und –10 Grad, in den kommenden Tagen sind diese weiter rückläufig. Wie aussergewöhnlich die Kälte in den kommenden Tagen wird, lässt sich anhand der Karte der Temperaturanomalie erkennen. Für kommenden Freitag werden in weiten Teilen der USA die Temperaturen teilweise mehr als 20 Grad unter der Jahreszeit üblichen Norm liegen.
Abb. 3: Prognostizierte Temperaturabweichungen am 23. Dezember (Quelle: tropicaltidbits.com)
In absoluten Zahlen ausgedrückt werden so beispielsweise in Helena, der Hauptstadt von Montana, am Donnerstagmorgen knackige –36 Grad erwartet, aber auch in Bismarck (Hauptstadt von Norddakota) und Pierre (Hauptstadt von Süddakota) sinken die Temperaturen teils unter –30 Grad. Selbst tagsüber werden vielerorts nicht mehr als –25 Grad erreicht. Diese extreme Kälte breitet sich in den darauffolgenden Tagen weiter nach Süden aus, wie auf der nachfolgenden Karte mit den erwartenden Maximaltemperaturen für Freitag zu entnehmen ist (obere Karte). Wird zu den tiefen Temperaturen auch noch der Effekt des Windes berücksichtigt, dann liegen die gefühlten Temperaturen teils um –50 Grad (untere Karte). Bis am Samstag stösst die kalte Luft bis nach Florida vor, selbst hier ist dann in den nördlichen Counties mit frostigen Temperaturen in der Nacht zu rechnen. Wir könnten einmal mehr von fallenden Leguanen lesen ;)
Abb. 4: Erwartete Temperaturmaxima am Freitag, 23. Dezember
Abb. 5: Gefühlte Temperaturen in der Nacht auf Freitag
Auf die Kälte folgt ein Blizzard
Nordamerika hat aber nicht nur eine der kältesten Weihnachten seit Jahrzehnten vor sich (noch extremer war es zuletzt an Weihnachten 1989), sondern auch einen sich anbahnenden Blizzard in der Region um die Grossen Seen. Auch wenn die genaue Zugbahn des dafür verantwortlichen Tiefdruckgebietes noch nicht ganz klar ist, so scheint das Zustandekommen des Wintersturms sicher zu sein. Nach neusten Daten dürften lokal mehr als einen Meter Schnee fallen. In der nachfolgenden Karte wird Schnee mittels blauen, Regen mit grünen Farbtönen dargestellt.
Abb. 6: Eine Variante eines Blizzards am 24. Dezember (Quelle: tropicaltidbits.com)